Samstag, 18. Dezember 2010

Fibromyalgie (FMS) und Rente wegen Erwerbsminderung (EM-Rente)

Ich habe als Rentenberater häufig mit Mandanten mit der Diagnose Fibromyalgie-Syndrom (FMS) zu tun. Nachfolgend möchte ich aus Sicht des Rentenberaters ein wenig über das Krankheitsbild Fibromyalgie erzählen.

Das Wort Fibromyalgie besteht aus dem lateinischen Wort "fibra" = Faser und den griechischen Worten "Mys" = Muskel, "algos" = Schmerz und "ia" = Zustand.

Folgende Symptome gehören laut der Leitlinie 3 "Fibromyalgie" zu dem Krankheitsbild:

  • Chronische Schmerzen in mehreren Körperregionen (chronic widespread pain, CWP) sind ein häufiges Phänomen in der allgemeinen Bevölkerung und in klinischen Populationen. Die Schmerzen sind meist mit anderen
körperbezogenen Beschwerden wie:

  • Druckschmerzempfindlichkeit,
  • Steifigkeits- und Schwellungsgefühl der Hände, der Füße und des Gesichts,
  • Müdigkeit,
  • Schlafstörungen sowie mit
  • seelischen Beschwerden wie Ängstlichkeit und Depressivität
Das Klinikum Saarbrücken hat eine empfehlenswerte Patienteninformation zu Fibromyalgie herausgegeben.

Bei der Begutachtung von Schmerzen sei auf die "Leitlinie für die Begutachtung von Schmerzen" hingewiesen. Der Gutachter muss über den aktuellen evidenzbasierten Wissensstand der Krankheitsbilder mit Leitsymptom "chronischer Schmerz" verfügen (z.B. im Rahmen der Weiterbildung für die Zusatzbezeichnung "Spezielle Schmerztherapie"). Hierzu sei auch auf die entsprechenden Leitlinienseiten der AWMF verwiesen.

Die Fibromyalgie hat einen eigenen Diagnoseschlüssel nach dem ICD-10: M 79.7

Häufig wird das Krankheitsbild von Psychiatern auch als anhaltend somatoforme Schmerzstörung, ICD-10: F 45.4 diagnostiziert.

Die Krankheit gilt inzwischen als anerkannt, wenn auch immer noch als "Modekrankheit" bezeichnet. Die Diagnose wird deshalb erst sehr spät, oft erst nach 10 Jahren diagnostiziert, weil die Schmerzen wechselnd im ganzen Körper wandern. Die behandelnden Orthopäden bringt das zur schieren Verzweiflung, da sie keine entsprechenden Befunde des Bewegungsapparates finden.

Die Fibromyalgie ist nach der neuen Leitlinie keine psychische Störung, wenngleich durch sehr starke Schmerzen ein hoher Leidensdruck entstehen kann. Durchschnittlich 30 bis 80 % der Erkrankten leiden unter Angststörungen und Depressionen.

Die Diagnose Fibromyalgie ist aber keine Eintrittskarte für die Rente wegen Erwerbsminderung oder Schwerbehinderung. Wahrscheinlich 90 % der Anträge auf Rente wegen Erwerbsminderung werden abgelehnt. Was sind die Gründe für die Ablehnung?

  • Annahme des Mandanten, das die Diagnose Fibromyalgie für einen Rentenantrag ausreiche,
  • Es fand bis zum Rentenantrag noch keine ausreichende ambulante oder klinische Behandlung laut den Schmerzleitlinien statt. Häufig werden die Mandanten nur vom Hausarzt und Orthopäden behandelt.
  • Es fehlt vor allem eine Schmerztherapie (Schmerztherapeut), Verhaltenstherapie (Diplom-Psychologe).
  • Bei hohem Leidensdruck ist laut den Leitlinien eine ambulante Behandlung beim Psychiater angesagt.
Merke: Zu erst an die Behandlung des Krankheitsbildes "Fibromyalgie" denken. Eine Rentenbezug erbringt keine Heilung des Krankheitsbildes. Häufig verlieren die Mandanten soziale Kontakte durch den Arbeitsplatzverlust. An Rente ist erst bei gescheitertem ambulanten und stationären Behandlungsversuchen zu denken.

Tipp: Ältere Mandanten ab Vollendung des 58. Lebensjahres sollten den Antrag auf Schwerbehinderung beim Versorgungsamt nicht vergessen. Bei Vorliegen der Wartezeit von 35 Jahren und einer Schwerbehinderung kann die vorzeitige Altersrente für schwerbehinderte Menschen (bis Jahrgang 1951 noch für das 60. Lebensjahr bei 10,8 % Rentenabschläge) beantragt werden. Erhöhungsanträge lohnen sich. Gehen Sie am besten zu einem Rentenberater, der häufig Erhöhungsanträge beim Versorgungsamt einreicht und auch die Durchsetzung über Widerspruch und Klage nicht scheut.

Weitere Links zu Fibromyalgie:




2 Kommentare:

  1. Herr Sommer hat hier die wesentlichen Aspekte im Kontext Fibromyalgie und Erwerbsminderungsrente gut und prägnant zusammengefaßt!
    Leider ist es auch entsprechend der Darstellung von Herrn Sommer so, daß die Diagnose ´Fibromyalgie` tatsächlich in ca. 90% zu einer Ablehnung führen dürfte, und hier liegt das Problem: Fachleute haben festgestellt, dass bei Vorliegen eines schweren Fibromyalgiesyndroms (GdB mindestens 50) in der Regel keine vollschichtige Leistungsfähigkeit im Sinne des Gesetzes mehr besteht! Auch wesentliche Heilungschancen dürften infolge Chronifizierung dann nicht mehr gegeben sein!
    Wenn dennoch ca. 90% der Antragsteller von der Deutschen Rentenversicherung abgewiesen werden, bedeutet dies, dass die DRV diese Diagnose benutzt, um berechtigte Ansprüche abzuwehren, da davon auszugehen ist, dass deutlich mehr als 10% aller Antragsteller unter einem schweren Fibromyalgiesnyndrom leiden und daher zu Unrecht abgewiesen werden: Entscheidend ist ja nicht die Diagnose an sich, wie Herr Sommer dies richtig klargestellt hat, sondern die konkreten Auswirkungen auf die noch verbliebene oder eben nicht mehr vorhandene Arbeitsfähigkeit ist ausschlaggebend für die Bewilligung - so sollte es nach dem Gesetz sein, aber leider sieht hier die Rechtspraxis erkennbar ganz anders aus!

    Dass die Deutsche Rentenversicherung hier oftmals rigoros und nicht rechtskonform vorgeht, macht auch der Fall der schwerbehinderten und chronisch kranken Erika R. deutlich, die an einem schweren Fibromyalgiesnydrom leidet, trotz mehrerer stationärer Krankenhausaufenthalte und drei Rehamaßnahmen und zahlreicher weiterer eigener therapeutischer Bemühungen (u.a. Psyhotherapie, Entspannungsverfahren etc.)keinerlei Heilung erzielte!
    Erika R. konnte in 4 Gutachten, u.a. durch einen renommierten Arzt und Wissenschaftler sowie Fachbuchautoren über die Fibromyalgie ihre Arbeitsunfähigkeit im Sinne des geltenden Rechts nachweisen, dennoch wurde ihr die Erwerbsminderungsrente verweigert, ihr wird nach wie vor die rechtliche und soziale Teilhabe - unserer Meinung nach rechtswidrig! - versagt!

    Wenn Sie der umfangreich dargestellte und engmaschig dokumentierte Fall interessiert, googeln Sie einfach unter ´zwergdavid-riesegoliath` oder klicken Sie direkt unter
    www.zwergdavid-riesegoliath.jimdo.com!
    Dieser Fall ist auch deshalb besonders erschreckend, weil die Klägerin Erika R. seit ihrem 15. Lebensjahr gearbeitet und über 33 Rentenanrechnungsjahre erfüllt hat und darüber hinaus auch drei Kinder großgezogen hat - dass sie jetzt ohne einen Cent im Regen stehen gelassen wird, ist u. E. bedenklich....

    Eine kurze Anmerkung noch zu dem von Herrn Sommer angegebenen Renteneintrittsalter: Nach meiner Information ist bei Vorliegen einer Schwerbehinderung und 35 Rentenjahren auch ein deutlich früherer Rentenbeginn für Jahrgänge nach 1951 möglich: Wenn ich 1955 geboren bin und die Voraussetzungen erfüllt sind, kann ich mit Abschlag im ALter von knapp 61 in Rente gehen....Diese Infos habe ich dem Rentenrechner der Deutschen Rentenversicherung selbst entnommen, hier scheinen Unklarheiten zu bestehen....

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  2. Herzlichen Dank für den Kommentar.

    Der Jahrgang 1955 kann frühestens mit 60 + 9 Monate mit Abschlägen von 10,8 % in die Altersrente für schwerbehinderte Menschen gehen.

    Nachfolgend eine Tabelle zum frühestmöglichen Rentenbeginn bei Altersrente für schwerbehinderte Menschen.

    Für spätere Jahrgänge verbleibt es bei dem Rentenabschlag bei Anhebung der Altersgrenze für den frühestmöglichen Rentenbeginn:

    01/1952 = 60 + 1 Monate
    02/1952 = 60 + 2 Monate
    03/1952 = 60 + 3 Monate
    04/1952 = 60 + 4 Monate
    05/1952 = 60 + 5 Monate
    05 - 12/1952 = 60 + 6 Monate
    1953 = 60 + 7
    1954 = 60 + 8
    1955 = 60 + 9
    1956 = 60 + 10
    1957 = 60 + 11
    1958 = 61
    1959 = 61 + 2
    1960 = 61 + 4
    1961 = 61 + 6
    1962 = 61 + 8
    1963 = 61 + 10
    1964 = 62

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